Rudolf Steiner

DIE ÄTHERISATION DES BLUTES

DAS EINGREIFEN DES ÄTHERISCHEN CHRISTUS IN DIE ERDENENTWICKELUNG

Basel, 1. Oktober 1911

Die Selbsterkenntnis des Menschen ist zwar als eine Aufforderung an unsere Seele durch alle Zeiten hindurch, in denen man mystisch oder realistisch oder sonst überhaupt nach Erkenntnis gestrebt hat, gefordert worden, doch ist, wie ja auch schon bei anderer Gelegenheit wiederholt betont werden mußte, diese Selbsterkenntnis der menschlichen Seele keineswegs so leicht, als recht viele auch unter den Anthroposophen sich zuweilen noch vorstellen. Und die Schwierigkeiten der menschlichen Selbsterkenntnis sind etwas, was der Anthroposoph sich doch immer wieder und wiederum vor die Seele rücken sollte, weil ja auf der anderen Seite diese Selbsterkenntnis das Notwendigste ist, wenn wir überhaupt zu einem menschenwürdigen Ziel im Weltensein, zu einem wirklichen menschenwürdigen Dasein und Handeln kommen wollen.

Wir wollen uns heute nun ein wenig zunächst mit der Frage beschäftigen, warum denn Selbsterkenntnis für den Menschen schwierig sein muß. Der Mensch ist ja nun einmal ein recht kompliziertes Wesen, und wenn wir etwa sprechen vom menschlichen Seelen-, menschlichen Innenleben, so wollen wir uns keineswegs dieses Seelenleben, dieses Innenleben von vornherein einfach, elementar vorstellen, sondern wir wollen die Geduld und die Ausdauer haben, immer tiefer dringen zu wollen, um diesen Wunderbau, diese wunderbare Organisation der göttlich-geistigen Weltenmächte, als welche der Mensch erscheinen kann, nach und nach wirklich zu durchdringen. Zweierlei kann uns an dem Leben der menschlichen Seele auffallen, bevor wir in das Wesen des Erkennens eindringen.

Gleichsam wie der Magnet Nordpol und Südpol hat, wie in der Erscheinung der Welt draußen Hell und Dunkel als Hauptschattierungen des Lichtes vorkommen, so hat die Seele auch zwei, man möchte sagen, Seelenpole ihres Daseins. Diese beiden Pole können uns erscheinen, wenn wir den Menschen in zwei Situationen, zwei Lagen des Lebens betrachten. Eine solche Lebenslage würde etwa für das seelische Leben gegeben sein, wenn wir einen Menschen, nun sagen wir einmal, auf der Straße stehen sehen, ganz verloren in die Betrachtung einer schönen, hehren, auffälligen Naturerscheinung. Wir sehen, wie er keine Hand bewegt, kein Bein bewegt, wie er fast das Auge nicht abwendet von der Naturerscheinung oder dem Gegenstand, der ihm auffällt und den er beobachtet, und wir gewahren, daß er beschäftigt ist, sich im Innern Bilder zu machen von dem, was er vor Augen sieht. Wir sagen: Er ist in Betrachtung versunken, er stellt sich seine Umgebung vor. Das wäre die eine Situation, die wir betrachten wollen. Eine andere Situation wäre die folgende: Irgendein Mensch geht über die Straße und er fühlt sich von einem anderen Menschen beleidigt, verletzt. Ohne viel Nachdenken geht sein Zorn, sein Ärger mit ihm durch und er macht als Ausfluß seines Zornes dieses: er gibt dem, der ihn beleidigt hat, einen Schlag oder dergleichen. Wir gewahren da eine Erscheinung derjenigen Kräfte, die aus dem Zorn, dem Ärger entspringen. Wir werden da Willensimpulse gewahr und wir können uns ganz gut vorstellen, daß nicht viele Gedanken und Vorstellungen diesem Impuls vorangegangen sind, daß der Betreffende vielleicht nicht ausgeholt hätte zum Schlag, daß er den Ausbruch des Zornes verhindert hätte, wenn er viel nachgedacht hätte. Wir haben da zwei extreme Handlungen vor uns hingestellt: Die eine, die sich ganz als eine Vorstellung zeigt, bei der der bewußte Wille ganz ausgeschaltet ist, und die andere, bei der das Vorstellungsleben ausgeschaltet wird und wo der Mensch sogleich zur Äußerung eines Willensimpulses übergeht. Das sind die zwei Dinge, die uns überhaupt die zwei extremen Pole der menschlichen Seele darstellen. Das Impulsive des Willens ist der eine Pol, das willenlose Hingegebensein an die Betrachtung, die Vorstellung, das Denken, während der Wille schweigt, das ist der andere Pol. So hätten wir die Tatsachen ganz exoterisch, rein durch Betrachtung des äußeren Lebens vor uns hingestellt.

Wir können nun etwas tiefer gehen, und wir kommen dann in diejenigen Sphären, in denen wir uns nur dann ganz zurecht finden, wenn wir die okkulte Forschung zu Hilfe nehmen. Eine andere Polarität tritt uns da entgegen, das ist die Polarität von Wachen und Schlafen. Wir wissen ja, was in okkulter Beziehung der Schlaf und das Wachen bedeuten. Nach den Elementarbegriffen unserer anthroposophischen Erkenntnis wissen wir, daß im Wachen die vier Glieder, physischer, Äther-, Astralleib und Ich organisch ineinander stecken, ineinander wirken, daß im Schlaf aber physischer und Ätherleib im Bette liegen, Astralleib und Ich aber wie ausgegossen sind in der ganzen großen Welt, die unmittelbar an unser physisches Dasein angrenzend ist. Wir könnten auch diese Tatsachen noch anders behandeln. Wir könnten uns nämlich auch da einmal fragen, wie es denn eigentlich mit dem Betrachten der Welt des Lebens steht, dem Vorstellen und Denken und dem Willen und seinen Impulsen beim Wachen und beim Schlafen?

Sehen Sie nun, wenn man tiefer geht, so zeigt es sich, daß in einem besonderen Sinne der Mensch in seinem gegenwärtigen physischen Dasein eigentlich immer schläft. Er schläft nur in der Nacht anders als bei Tage. Rein äußerlich schon können Sie sich das vergegenwärtigen, da Sie wissen, daß man bei Tage okkult aufwachen kann, hellsichtig werden, in die geistige Welt hineinsehen kann. Der gewöhnliche physische Leib ist gegenüber dieser Betrachtung eingeschlafen, und man kann sagen, es ist ein Aufwachen, wenn der Mensch lernt, seine geistigen Sinne zu gebrauchen. Und in bezug auf den Nachtschlaf ist es klar, daß da der Mensch schläft. So daß man sagen kann: Der gewöhnliche Schlaf ist ein Schlaf in bezug auf die äußere physische Welt, das Tagesbewußtsein ist gegenwärtig ein Schlaf in bezug auf die geistige Welt.

Wir können uns diese Tatsachen in noch ganz anderer Weise vor Augen führen. Wenn man tiefer geht, so merkt man, daß der Mensch im gewöhnlichen wachenden Zustand seines physischen Lebens über seinen Willen in der Regel recht wenig Gewalt hat. Der Wille ist etwas, was sich dem Tagesleben gar sehr entzieht. Wollen Sie einmal aufmerksam betrachten, was wir menschlichen Willen nennen, so werden Sie sehen, wie wenig sich der Mensch während des Tageslebens in der Gewalt hat in bezug auf die Willensimpulse. Betrachten Sie, wie wenig von dem, was Sie vom Morgen bis zum Abend tun, wirklich aus eigenem Denken und Vorstellen, aus persönlichem, individuellem Entschluß hervorgeht. Sie können, wenn irgendwer an die Tür klopft, und Sie sagen: Herein! – dies nicht einen wirklichen Entschluß Ihres eigenen Denkens und Willens nennen. Sie können unmöglich, wenn Sie hungrig sind und sich zu Tisch setzen, sagen, das wäre ein Willensentschluß von Ihnen, denn er ist durch Ihren Organismus, durch Ihren Zustand veranlaßt. Versuchen Sie jetzt, Ihr Tagesleben sich vor Augen zu halten, und Sie werden sehen, wie wenig der Wille direkt vorn menschlichen Zentrum beeinflußt ist. Was ist die Ursache hiervon? Das lehrt der Okkultismus, der zeigt, daß der Mensch in bezug auf den Willen in der Tat bei Tag schläft, das heißt, daß er in seinen Willensimpulsen gar nicht darinnen lebt. Wir können zu immer besseren und besseren Begriffen und Vorstellungen kommen, meinetwegen moralischere, geschmackvollere Menschen werden, aber in bezug auf den Willen können wir gar nichts machen. Wenn wir bessere Gedanken hegen, können wir indirekt auf den Willen zurückwirken, aber in bezug auf den Willen können wir, was das Leben anbetrifft, direkt gar nichts machen, denn unser Wille wird erst auf einem Umwege direkt beeinflußt von unserem Alltagsleben, auf dem Umwege durch den Schlaf. Sie denken nicht, wenn Sie schlafen, Sie haben keine Vorstellungen: das Vorstellen und Denken ist es, was in Schlaf übergeht. Der Wille dagegen wacht und durchdringt unseren Organismus von außen und belebt ihn. Daher werden wir uns gestärkt fühlen am Morgen, weil das, was in unseren Organismus eindringt, willensartiger Natur ist. Daß wir dieses Arbeiten des Willens nicht wahrnehmen, daß wir nichts davon wissen, mag uns ganz glaublich erscheinen, wenn wir bedenken, daß unser Vorstellen schläft, wenn wir schlafen. Daher wollen wir zunächst eine Anregung für weiteres Nachsinnen, weiteres Meditieren geben. Sie werden sehen, je weiter Sie in der Selbsterkenntnis vorwärtskommen, desto mehr werden Sie diesen Satz bewahrheitet finden: Der Mensch schläft in bezug auf seinen Willen, wenn er wacht, und er schläft in bezug auf sein Vorstellen, wenn er schläft. Bei Tag schläft der Wille, bei Nacht schläft das Vorstellungsleben.

Wenn der Mensch sich dessen nicht bewußt wird, daß der Wille in der Nacht nicht schläft, so rührt dies davon her, daß der Mensch nur im Vorstellungsleben zu wachen versteht. Der Wille schläft nicht in der Nacht, sondern er wirkt da wie in seinem wahren feurigen Element, arbeitet an seinem Leibe, um herzustellen, was verbraucht worden ist bei Tage.

Es gibt im Menschen also zwei Pole, die Willensimpulse und das Beobachtungs- oder Vorstellungsleben, und die Menschen verhalten sich im ganz entgegengesetzten Sinne zu diesen zwei Polen. Dies sind aber nur zwei Pole. Das ganze Seelenleben liegt in verschiedenen Nuancen zwischen diesen beiden Polen, und wir werden jetzt diesem Seelenleben noch etwas nähertreten, indem wir versuchen, dieses Seelenleben, das mikrokosmische Seelenleben in ein Verhältnis zu bringen zu dem, was wir als die höheren Welten erkennen. Wir haben aus dem, was gesagt worden ist, ersehen, daß der eine Pol unseres Seelenlebens das Vorstellungsleben ist.

Dieses Vorstellungsleben ist etwas, was dem äußeren, materialistisch denkenden Menschen als etwas Unwirkliches erscheint. Nicht wahr, wie oft hört man den Gedanken aussprechen: Ach, Vorstellungen und Gedanken sind ja nur Vorstellungen und Gedanken! Man will darauf hinweisen, daß, wenn man ein Stück Brot oder Fleisch in die Hand nimmt, dies eine Realität ist, daß ein Gedanke aber nur ein Gedanke ist. Man meint, Gedanken könne man nicht essen, sie seien daher nicht real wirklich, es sind «nur» Gedanken. Warum sind es aber nur Gedanken? Aus dem Grunde, weil das, was der Mensch seine Gedanken nennt, sich zu dem, was Gedanken eigentlich sind, verhält wie ein Schattenbild zu einer Sache selber. Wenn Sie da eine Blume haben, und Sie schauen ihr Schattenbild, so weist das Schattenbild auf die Blume, auf die Wirklichkeit hin. So ist es auch mit den Gedanken. Es ist so, daß das menschliche Denken das Schattenbild ist von Vorstellungen und Wesenheiten, die in einer höheren Welt sind: in dem, was man den Astralplan nennt. Und richtig stellen Sie sich eigentlich das Denken vor, wenn Sie sich hier – es ist das nicht ganz richtig, sondern schematisch gezeichnet – das menschliche Haupt vorstellen. In diesem Haupte sind die Gedanken, die ich hier durch Striche darstellen will. Aber diese Gedanken, die im Haupte sind, stellen wir uns als lebendige Wesen – hier auf dem Astralplane – vor. Da wirken die verschiedenartigsten Wesen, da wimmelt es nur so von Vorstellungen

und Handlungen, die ihr Schattenbild in den Menschen hineinwerfen, und diese Vorgänge spiegeln sich ab im menschlichen Haupte als das Denken. Es ist eine richtige Vorstellung, wenn Sie sich denken: Von Ihrem Haupte gehen fortwährend Strömungen in den Astralplan, und diese sind die Schatten, die das Gedankenleben in Ihrem Haupte vermitteln. (Siehe Schema)

Es gibt nun außer dem, was wir das Gedankenleben nennen können, für die menschliche Seele noch ein anderes Leben. Man unterscheidet im gewöhnlichen Leben – das ist nicht ganz genau, aber ich sage es, damit man aus dem gewöhnlichen Leben heraus einen Begriff dafür bekommt – zwischen dem Gedankenleben und dem Empfindungsleben. Unter den Gefühlen unterscheidet man solche des Gefallens, sympathische, und des Mißfallens, unsympathische Gefühle. Erstere stellen sich ein bei Handlungen des Rechtes, des Wohlwollens, Antipathie tritt auf bei Handlungen des Übelwollens, des Unrechtes. Das ist schon mehr als das bloße Vorstellen, das ist etwas anderes. Etwas uns vorstellen tun wir auch den gleichgültigen Dingen gegenüber.

Aber diese Seelenerlebnisse der Sympathie und der Antipathie haben wir nur dem Schönen und Guten gegenüber oder dem Schlechten und Häßlichen. Gerade so wie alles, was im Menschen sich abspielt als Gedanken, auf den Astralplan hinweist, so weist alles, was verknüpft ist mit Sympathie und Antipathie, hin auf das, was wir das niedere Devachan nennen. Und ebenso könnte ich die Linien, die ich vorher bis in die Astralwelt bei diesen Vorstellungen gezeichnet habe, nun hinaufziehen ins Devachan oder die Himmelswelt. In uns, vorzugsweise in unserer Brust spielen sich Vorgänge ab der Himmelswelt oder des Devachan als Gefühle der Sympathie und Antipathie für das Schöne und das Häßliche, das Gute und Schlechte oder Böse, so daß wir mit dem, was wir nennen können unsere Empfindungen gegenüber der moralisch-ästhetischen Welt, die Abschattungen des niederen Devachan, der Himmelswelt, in unserer Seele tragen.

Dann gibt es noch ein Drittes im menschlichen Seelenleben, was wir genau unterscheiden müssen von der bloßen Vorliebe für wohlwollende Handlungen. Es ist ein Unterschied, ob man da steht und dort eine schöne, wohlwollende Handlung sieht und Gefallen daran findet, oder ob man selber den Willen in Tätigkeit umsetzt, um selbst eine wohlwollende Handlung auszuführen. Ich möchte das Wohlgefallen an guten, schönen, das Mißfallen an bösen, häßlichen Handlungen das ästhetische Element nennen, dagegen das, was den Menschen treibt gut zu handeln, das moralische. Das Moralische steht höher als das bloß Ästhetische, das bloße Gefallen oder Mißfallen steht tiefer als das Sichgedrängtfühlen, Gutes oder Böses zu tun. Insofern unsere Seele sich angetrieben fühlt, insofern sie die moralischen Impulse fühlt, sind diese Impulse die Schattenbilder des höheren Devachan, der oberen Himmelswelt.

Wir können uns ganz gut vorstellen, daß diese drei stufenweise übereinander stehenden Seelentätigkeiten, die rein intellektuelle des Denkens, Vorstellens, Betrachtens, die ästhetische des Gefallens und Mißfallens, und die moralische in den Impulsen gegenüber dem Bösen und Guten, daß diese drei auseinander gelagerten Erlebnisse des Seelen-Erlebens des Menschen mikrokosmische Bilder sind dessen, was in der großen Welt draußen im Makrokosmos sich übereinander lagert in den drei Welten: der astralischen Welt, die sich spiegelt als die Gedankenwelt, die intellektuelle Welt; der devachanischen Welt, die sich abschattet als ästhetische Welt des Gefallens und Mißfallens; der höheren Devachanwelt, die sich abschattet als Moralität.

Gedanken: Schattenbilder von
Wesenheiten des
Astralplanes
(Wachen)
Sympathie und
Antipathie:
Schattenbilder von
Wesenheiten des
niederen Devachan
(Träumen)
Moralische Impulse: Schattenbilder von
Wesenheiten des
höheren Devachan
 ( Schlafen )

Wenn wir das, was wir jetzt gesagt haben, verbinden mit dem früher von den beiden Polen der menschlichen Seele Gesagten, so müssen wir eben das Intellektuelle als einen Pol empfinden, als jenen Pol, der vorzugsweise das wachende Tagesleben beherrscht, wo wir wachen in bezug auf das intellektuelle Leben. Der Mensch wacht während des Tages in bezug auf seinen Intellekt, während des Schlafes wacht er in bezug auf seinen Willen. Weil er aber dann schläft in bezug auf seinen Intellekt, wird er sich dessen nicht bewußt, was er mit dem Willen unternimmt. Aber indirekt wirkt in den Willen hinein das, was wir moralische Grundsätze und Impulse nennen. Und in der Tat braucht der Mensch das Schlafleben, damit das, was er durch das Gedankenleben an moralischen Impulsen aufnimmt, wirklich zu effektiver Wirksamkeit kommen kann. Wahr ist es: So wie der Mensch heute ist im gewöhnlichen Leben, vermag er nur etwas Rechtes auf dem intellektuellen Plan auszuführen; weniger vermag er auf dem moralischen Plan: da sind wir darauf angewiesen, daß uns geholfen werde aus dem Makrokosmos heraus.

Was in uns ist, kann uns in der Intellektualität eine Spanne weiter führen, beim Schritt des moralisch Besserwerdens müssen uns Götter zu Hilfe kommen. Deshalb versinken wir in Schlaf, damit wir untertauchen können in den göttlichen Willen, wo wir nicht dabei sind mit dem machtlosen Intellekt, und wo göttliche Kräfte das, was wir als moralische Grundsätze aufnehmen, umwandeln in die Kraft des Willens, wo sie hineinimpfen in unseren Willen dasjenige, was wir sonst nur in unsere Gedanken aufnehmen können.

Zwischen diesen zwei Polen, dem Willenspol, der bei Nacht wacht, und dem Intellektpol, der bei Tag wacht, liegt der ästhetische Kreis, der immer im Menschen vorhanden ist. Denn der Mensch ist bei Tage so, daß er nicht ganz wach ist. Nur die nüchternsten, philiströsesten Menschen wachen immer, wenn sie wach sind. Die Menschen müssen im Grunde genommen auch bei Tag etwas träumen, sie müssen während des Wachens auch etwas träumen können, müssen sich hingeben können der Kunst, der Dichtung oder sonstiger Lebensbetätigung, die nicht nur auf das derb Wirkliche gerichtet ist. Die sich so dem überlassen, die wirken da ein Band, das gar sehr erfrischend und belebend auf das ganze Dasein zurückwirken kann. Sich solchen Gedanken überlassen, das ist gewissermaßen das, was wie ein Traum in das Wachleben hineindringt. Und in das Schlafleben, da wissen Sie ja, daß man da das Träumen hineinbringt; da sind es die realen Träume, die das sonstige Bewußtsein im Schlafe durchdringen. Das ist etwas, was alle Menschen brauchen, die nicht bloß ein nüchternes, trockenes, ungesundes Tagesleben führen wollen. Und das Träumen kommt ohnedies in der Nacht, das braucht man nicht zu rechtfertigen. Dies ist das Mittlere, das zwischen den zwei Polen drinnen liegt: das nächtliche und das Tagesträumen, das in der Phantasie leben können.

So haben wir auch hier ein Dreifaches in der Seele: Das Intellektuelle, durch das wir so recht wachen und die Schattenbilder des Astralplanes in uns tragen, wenn wir bei Tag uns den Gedanken überlassen, so daß die fruchtbarsten Einfalle des Alltagslebens und die großen Erfindungen hervorkommen. Und während des Schlafes, wenn wir träumen, wenn diese Träume hereinspielen in unser Schlaf leben, dann ist es so, daß in uns sich abschatten die Bilder der niederen Himmelswelt oder des Devachan. Und wenn wir dann im Schlafe arbeiten und Moralität unserem Willen einprägen – das können wir direkt nicht wahrnehmen, wohl aber in seinen Wirkungen -, dann, wenn wir imstande sind, diesen Einfluß der göttlich-geistigen Mächte während der Nacht unserem Denken einzuimpfen, so sind die Impulse, die wir da wahrnehmen, die Abschattungen aus dem oberen Devachan, der oberen Himmelswelt. Das sind die moralischen Impulse und Gefühle, die in uns leben und die uns sagen lassen: Im Grunde genommen ist das menschliche Leben nur dadurch gerechtfertigt, daß wir unsere Gedanken in den Dienst des Guten und Schönen stellen und unser intellektuelles Wirken durchströmt sein lassen von dem wahren, echten Herzblut des göttlich-geistigen Lebens, durchströmt sein lassen von moralischen Impulsen.

Was wir so als das menschliche Seelenleben hinstellen durch eine zuerst äußerliche exoterische Betrachtung, dann durch eine etwas mystischere Lebensbetrachtung, ergibt sich aus der tieferen okkulten Forschung. Und da zeigt sich uns dasjenige, was wir jetzt mehr äußerlich beschrieben haben, an Vorgängen, die das Hellsehen auch am Menschen wahrnehmen kann. Wenn der Mensch heute im Wachzustand vor uns steht und das hellseherische Auge betrachtet ihn, so zeigt sich, daß fortwährend vom Herzen nach dem Kopfe gewisse Lichtstrahlen gehen. Wenn wir das schematisch zeichnen wollen, müßten wir das so machen, daß wir hier die Herzgegend zeichnen, dann gehen fortwährend Strömungen nach dem Gehirn hin und umspielen im Innern des Hauptes dasjenige Organ, das in der Anatomie beschrieben wird als Zirbeldrüse. Wie Lichtstrahlen geht es vom Herzen nach dem Kopfe herauf und umströmt die Zirbeldrüse. Diese Strömungen entstehen dadurch, daß das menschliche Blut, das eine physische Substanz, ein Stoff ist, sich fortwährend auflöst in ätherische Substanz, so daß in der Gegend des Herzens ein fortwährender Übergang des Blutes in feine ätherische Substanz stattfindet, und diese strömt nach dem Kopfe herauf und umspielt glimmernd die Zirbeldrüse. Dieser Vorgang, das Ätherischwerden des Blutes, zeigt sich immerwährend am wachenden Menschen. Jetzt ist es aber anders am schlafenden Menschen. Da ist es so, daß wenn wir hier die Gehirn-, hier die Herzgegend hätten, so würde für den okkulten Beobachter

eine fortwährende Strömung von außen herein, auch von rückwärts herein zum Herzen wahrnehmbar sein. Diese Strömungen aber, die beim schlafenden Menschen von draußen, vom Weltenraum, aus dem Makrokosmos in das Innere dessen, was da im Bette liegt als physischer und Ätherleib, hereinströmen, die stellen, wenn man sie untersucht, in der Tat etwas sehr Merkwürdiges dar. Diese Strahlen sind recht verschieden bei den verschiedenen Menschen. Die schlafenden Menschen sind recht verschieden voneinander, und wenn die Menschen, die noch ein bißchen eitel sind, zuletzt immer wüßten, wie schlimm sie sich verraten für den okkulten Blick, wenn sie in öffentlichen Versammlungen einschlafen, würden sie es verhindern, weil das verräterisch wirkt.

In der Tat ist es so, daß sich im hohen Grade die moralischen Qualitäten zeigen in der eigenartigen Färbung dessen, was beim Schlafe in ihn einströmt, so daß der Mensch, der niedere moralische Grundsätze hat, eine ganz andere Strömung hat als ein Mensch mit hohen Grundsätzen. Da nützt es nichts, sich bei Tag zu verstellen. Den höheren Weltenmächten gegenüber kann man sich nicht verstellen. Es ist so, daß in einem, der nur ganz leise Neigung hat zu nicht ganz moralischen Grundsätzen, fortwährend einströmen so bräunlichrote und allerlei sonstige nach dem Rotbräunlichen hinneigende Strahlungen. Und lila-violette Strahlungen treten auf bei denjenigen, die hohe moralische Ideale haben. Es ist nun im Moment des Aufwachens oder des Einschlafens in der Gegend der Zirbeldrüse eine Art Kampf vorhanden zwischen dem, was von oben nach unten, und dem, was von unten nach oben strömt. Das intellektuelle Element strömt von unten nach oben in Form von Lichtwirkungen beim wachenden Menschen, und das, was eigentlich moralisch-ästhetischer Natur ist, das strömt von oben nach unten. Und im Moment des Aufwachens und des Einschlafens begegnen sich die nach aufwärts- und abwärtsgehenden Ströme, und da kann man beurteilen, ob jemand besonders gescheit ist und niedere Grundsätze hat, wo sich dann ein starker Kampf abspielt in der Nähe der Zirbeldrüse, oder ob er gute Grundsätze hat und einem entgegenströmt seine Intellektualität: dann zeigt sich ein ruhiges Ausbreiten einer glimmerigen Lichterscheinung um die Zirbeldrüse herum. Diese ist gleichsam eingebettet im Moment des Aufwachens oder Einschlafens in ein kleines Lichtmeer. Und darin, daß ein ruhiger Schein die Zirbeldrüse umgibt im Moment des Aufwachens und Einschlafens, zeigt sich die moralische Vornehmheit. So spiegelt sich im Menschen seine moralische Beschaffenheit. Und dieser ruhige Schein dehnt sich oftmals aus weit bis in die Herzgegend hinein. So zeigen sich im Menschen zwei Strömungen, die eine aus dem Makrokosmos, die andere eine mikrokosmische.

Die ganze Tragweite dessen, wie diese beiden Strömungen sich im Menschen treffen, würden wir erst ermessen, wenn wir einerseits bedenken das, was vorher mehr äußerlich gesagt worden ist vom Seelenleben, wie es sich zeigt in seiner dreifachen Polarität des Intellektuellen, des Ästhetischen und des Moralischen, das von oben nach unten, vom Gehirn nach dem Herzen zuströmt, auf der anderen Seite aber kommen wir zu der ganzen Bedeutung des Gesagten, wenn wir nun die

entsprechende Erscheinung im Makrokosmos uns vor Augen führen. Diese entsprechende Erscheinung, sie ist heute so zu schildern, wie sie als Ergebnis vorliegt gerade durch die sorgfältigsten okkulten Forschungen der letzten Jahre, unternommen in den geistigen Untersuchungen einzelner der wahren, echten Rosenkreuzer. Dem entsprechend ist dieses Makrokosmische zu schildern gegenüber dem Mikrokosmischen. Und da zeigt sich denn – Sie werden in Ihrem Verständnis der Sache immer näher kommen -, daß ein Ähnliches wie das, was jetzt gesagt worden ist für den Mikrokosmos, auch im Makrokosmos sich abspielt.

So wie in der Gegend des menschlichen Herzens ein fortwährendes Verwandeln des Blutes in Äthersubstanz stattfindet, so findet ein ähnlicher Vorgang im Makrokosmos statt. Wir verstehen dieses, wenn wir unser Auge hinwenden auf das Mysterium von Golgatha und auf jenen Augenblick, in dem das Blut des Christus Jesus geflossen ist aus den Wunden. Dieses Blut darf nicht nur als chemische Substanz betrachtet werden, sondern es ist durch alles das, was geschildert worden ist als die Natur des Jesus von Nazareth, etwas ganz Besonderes. Und indem es ausfloß und hineinströmte in die Erde, ist unserer Erde eine Substanz gegeben worden, die, indem sie sich mit der Erde verband, ein Ereignis war, das ein bedeutendstes ist für alle Folgezeiten der Erde, und das auch nur einmal auftreten konnte. Was geschah mit diesem Blut in den folgenden Zeiten? Nichts anderes, als was sonst im Herzen des Menschen geschieht. Dieses Blut machte im Verlaufe der Erdenevolution einen Ätherisierungsprozeß durch. Und wie unser Blut als Äther vom Herzen nach oben strömt, so lebt im Erdenäther seit dem Mysterium von Golgatha das ätherisierte Blut des Christus Jesus. Der Ätherleib der Erde ist durchsetzt von dem, was aus dem Blute geworden ist, das auf Golgatha geflossen ist; und das ist wichtig. Wäre das nicht geschehen, was durch den Christus Jesus geschehen ist, dann wäre nur das mit den Menschen auf der Erde der Fall, was vorher geschildert worden ist. So aber ist seit dem Mysterium von Golgatha eine fortwährende Möglichkeit vorhanden, daß in diesen Strömungen von unten nach oben die Wirkung des ätherischen Blutes des Christus mitströmt.

Dadurch, daß in dem Erden-Ätherleib das ätherische Blut des Jesus von Nazareth ist, strömt mit dem von unten nach oben, vom Herzen nach dem Gehirn strömenden ätherisierten Menschenblute dasjenige, was das ätherisierte Blut dieses Jesus von Nazareth ist, so daß nicht nur das zusammentrifft im Menschen, was früher geschildert worden ist, sondern es trifft zusammen die eigentliche menschliche Blutströmung und die Blutströmung des Christus Jesus. Aber eine Verbindung dieser beiden Strömungen kommt nur zustande, wenn der Mensch das richtige Verständnis entgegenbringt dem, was im Christus-Impuls enthalten ist. Sonst kann keine Verbindung zustande kommen, sonst stoßen sich die beiden Strömungen gegenseitig ab, prallen ebenso wieder auseinander, wie sie zusammengeprallt sind. Verständnis können wir nur erwerben, wenn wir in jedem Zeitalter der Erdenentwickelung dieses Verständnis so uns aneignen, wie es angepaßt ist in diesem Zeitalter. In der Zeit, als der Christus Jesus auf Erden lebte, da konnten der bevorstehenden Tatsache das richtige Verständnis entgegenbringen jene, die zu seinem Vorläufer Johannes kamen und sich taufen ließen durch die Formel, die im Evangelium ausgedrückt ist. Sie empfingen die Taufe, um die Sünde, das heißt das zu Ende gekommene Karma ihrer vorigen Leben zu ändern, und um zu erkennen, daß der wichtigste Impuls der Erdenentwickelung nunmehr in einen physischen Leib herabsteigen wird. Die Menschheitsentwickelung aber schreitet weiter, und für unsere heutige Zeit ist es wichtig, daß der Mensch einsehen lernt, daß er die geisteswissenschaftliche Erkenntnis aufnehmen muß und allmählich das, was vom Herzen zum Gehirn strömt, so befeuert, daß es der Anthroposophie Verständnis entgegenbringt. Die Folge wird sein, daß er das entgegennehmen kann, was vom zwanzigsten Jahrhundert an beginnt einzugreifen: das ist gegenüber dem physischen Christus von Palästina der ätherische Christus.

Denn an jenem Zeitpunkt sind wir angelangt, wo der ätherische Christus in das Erdenleben eingreift und zunächst einer kleinen Anzahl von Menschen sichtbar wird wie in einem natürlichen Hellsehen. Dann in den nächsten dreitausend Jahren wird er immer mehr Menschen sichtbar werden. Das muß kommen, das ist ein Naturereignis. Daß es kommt, ist ebenso wahr als im neunzehnten Jahrhundert die Errungenschaften der Elektrizität gekommen sind. Daß eine gewisse Anzahl von Menschen den Äther-Christus sehen wird, das Ereignis von Damaskus haben wird, ist wahr. Aber es wird sich darum handeln, daß die Menschen lernen, den Moment zu betrachten, wo der Christus an sie herantritt. Es werden nur wenige Jahrzehnte vergehen, und für die Menschen, besonders der jugendlichen Jahre, wird der Fall eintreten – jetzt schon überall bereitet es sich vor -: Irgendein Mensch kommt da oder dorthin, dieses oder jenes erlebt er. Wenn er nur wirklich das Auge durch Beschäftigung mit der Anthroposophie geschärft hätte, könnte er schon bemerken, daß plötzlich um ihn irgend jemand ist, kommt, um zu helfen, ihn auf dieses oder jenes aufmerksam zu machen: daß ihm der Christus gegenübertritt – er aber glaubt, irgendein physischer Mensch sei da. Aber daran wird er merken, daß es ein übersinnliches Wesen ist, daß es sogleich verschwindet. Gar mancher wird erleben, wenn er gedrückten Herzens, leidbelastet, still in seinem Zimmer sitzt und nicht aus noch ein weiß, daß die Tür geöffnet wird: Der ätherische Christus wird erscheinen und wird Trostesworte zu ihm sprechen. Ein lebendiger Trostbringer wird der Christus für die Menschen werden! Mag es auch heute noch grotesk erscheinen, aber wahr ist es doch, daß manchmal, wenn die Menschen zusammensitzen, nicht ein noch aus wissen, und auch wenn größere Menschenmengen zusammensitzen und warten: daß sie dann den ätherischen Christus sehen werden! Da wird er selber sein, wird beratschlagen, wird sein Wort auch in Versammlungen hineinwerfen. Diesen Zeiten gehen wir durchaus entgegen. Das ist das Positive, dasjenige, was als positives aufbauendes Element in die Menschheitsentwickelung eingreifen wird.

Kein Wort soll gegen die großen Kulturfortschritte unserer Zeit gesagt werden, sie sind notwendig zum Heil und zur Befreiung der Menschen. Aber nehmet alles, was ihr nehmen könnt an äußeren Fortschritten in der Beherrschung der Naturkräfte, es ist nicht einmal als etwas Kleines und Unbedeutendes zu vergleichen gegenüber dem, was dem Menschen gegeben wird, der in seiner Seele das Erwachen durch den Christus erleben wird, der jetzt in die Menschheitskultur und in ihre Angelegenheiten eingreifen wird. Was dadurch den Mensehen dann erwachsen wird, das sind zusammensetzende positive Kräfte. Der Christus bringt aufbauende Kräfte in die Menschheitskultur.

Ja, wenn wir die ersten nachatlantischen Zeiten nehmen würden, so würden wir sehen, daß die Menschen da ihre Wohnungen auf andere Weise gebaut haben als heute. Da haben sie allerlei benützt, was gewachsen ist, dem sie nur nachhalfen. Selbst Paläste haben sie so gebaut, indem sie nachgeholfen haben der Natur, die Zweige und die Pflanzen miteinander verschlungen haben und so weiter. Heute müssen die Menschen aus den Trümmern bauen. Wir machen alle Kultur der Außenwelt aus den Zertrümmerungsprodukten. Und im Laufe der nächsten Jahre werden Sie noch besser verstehen, wie verschiedenes anderes in unserer Kultur Zerstörungsprodukt ist.

Das Licht zerstört sich innerhalb unseres nachatlantischen Erdenprozesses. Bis in die Atlantis hinein war der Erdenprozeß ein fortschreitender, seither ist er ein zerfallender. Was ist das Licht? Es zerfällt, und das zerfallende Licht ist Elektrizität. Was wir als Elektrizität kennen, das ist Licht, das sich selber zerstört innerhalb der Materie. Und die chemische Kraft, die innerhalb der Erdenentwickelung eine Umwandlung erfährt, ist Magnetismus. Und noch eine dritte Kraft wird auftreten. Und wenn den Menschen heute schon Wunder wirkend die Elektrizität erscheint, so wird diese dritte Kraft in noch viel wunderbarerer Weise die Kultur beeinflussen. Und je mehr wir von dieser Kraft anwenden, desto eher wird die Erde zu einem Leichnam werden, damit das, was das Geistige der Erde ist, sich hinüberwirken kann zum Jupiter. Die Kräfte müssen angewandt werden, um die Erde zu zerstören, damit der Mensch frei wird von der Erde und damit der Erdenleib abfallen kann. Solange die Erde im fortschreitenden Prozeß war, hat man dies nicht gemacht, weil nur die zerfallende Erde die große Kulturerrungenschaft der Elektrizität gebrauchen kann. So sonderbar dies gegenwärtig auch klingt, aber es muß nach und nach ausgesprochen werden. Wir müssen den Entwickelungsprozeß verstehen, die Menschen werden dadurch lernen, unsere Kultur in richtiger Weise zu bewerten. Wir werden dadurch lernen, daß es notwendig ist, die Erde zu zerstören, sonst wird der Geist nicht frei. Aber man wird auch lernen, das Positive zu schätzen: das Hereindringen der geistigen Kräfte in unser Erdendasein.

So sehen wir schon den großen, gewaltigen Fortschritt darin, daß der Christus notwendig hatte, durch die drei Jahre in einem gut zubereiteten Menschenleib zu wandeln, damit er sichtbar werden konnte den sinnlichen Augen. Durch das, was da während dieser drei Jahre geschehen ist, sind die Menschen reif geworden, denjenigen Christus zu sehen, der herumgehen wird im ätherischen Leibe, der ebenso real und wirklich eingreifen wird in das Erdenleben wie der physische Christus zur Zeit der palästinensischen Wirklichkeit. Die Menschen werden wissen, wenn sie nicht mit unklaren Sinnen solche Sachen betrachten, daß sie es mit dem ätherischen Leibe zu tun haben, der innerhalb der physischen Welt herumwandeln wird, aber sie werden wissen, daß dies der einzige ätherische Leib ist, der wirken kann in der physischen Welt, wie sonst ein physischer Menschenleib wirkt. Er wird sich von einem physischen Leib nur dadurch unterscheiden, daß er sozusagen an zwei, drei, ja an hundert und an tausend Orten zu gleicher Zeit sein kann, was nur einer ätherischen, nicht aber einer physischen Gestalt möglich ist. Dasjenige, was durch diesen Fortschritt der Menschheit bewirkt wird, ist, daß die zwei Pole, die ich vorhin erwähnt habe, der intellektuelle und der moralische Pol immer mehr eins werden, zu einer Einheit verschmelzen. Das werden sie dadurch, daß die Menschen immer mehr lernen werden im Verlaufe der nächsten Jahrtausende, den ätherischen Christus in der Welt zu betrachten. Sie werden immer mehr durchdrungen werden auch bei Tag von der direkten Wirkung des Guten in den geistigen Welten. Während jetzt der Wille bei Tag schläft und der Mensch im Grunde genommen nur indirekt durch Vorstellung wirken kann, wird es im Verlauf der nächsten Jahrtausende immer mehr geschehen, daß durch dasjenige, was von unseren Tagen an hereinwirkt und dem der Christus vorsteht, des Menschen Wirken auch im Tageszustand direkt verbessert werden kann.

Wovon Sokrates geträumt hat, daß die Tugend lehrbar sei, wird wirklich eintreten. Und immer mehr und mehr wird auf Erden die Möglichkeit vorhanden sein, daß nicht nur unser Intellekt durch die Lehren angeregt, angespornt wird, sondern daß durch diese Lehren auch moralische Impulse verbreitet werden. Schopenhauer hat gesagt: Moral predigen ist leicht, Moral begründen sei sehr schwierig. – Warum ist das so? Weil man mit dem Predigen noch keine Moral wirklich verbreitet hat. Man kann ganz gut Moralgrundsätze einsehen und sie nicht halten. Für die meisten Menschen gilt das Christus-Wort : Der Geist ist willig, das Fleisch aber ist schwach. – Das ändert sich dadurch, daß das moralische Feuer ausströmt von dieser Christus-Gestalt. Dadurch aber tritt für die Erde immer mehr das ein, daß der Mensch die Notwendigkeit des Moralischen und seiner Impulse einsieht. Und dadurch wandelt er die Erde um, insofern der Mensch immer mehr fühlen wird, daß das Moralische zur Erde gehört. Und in Zukunft werden nur jene Menschen unmoralisch sein können, die im Unmoralischen Hilfe bekommen, die von bösen Dämonen, von ahrimanischen, asurischen Mächten besessen werden und diese Besessenheit erstreben. Das ist der Zukunftszustand der Erde: daß eine genügende Anzahl von Menschen da sein wird, welche immer mehr das Moralische lehren und zu gleicher Zeit Begründung der Moral geben werden; aber auch daß solche, welche aus ihrem freien Willen heraus es wollen, sich den bösen Mächten hingeben werden und gegenüber den guten Menschen ein Heer des Bösen bilden werden. Dazu wird niemand gezwungen werden, es wird eines jeden freier Wille sein.

Dann kommt jene Zeit über die Erde, wo das eintritt, was wie so vieles eigentlich nur in den grandiosen Definitionen von orientalischem Okkultismus, orientalischer Mystik enthalten ist, wo diese moralische Atmosphäre bis zu einem hohen Grade zugenommen haben wird. Von diesem Zeitpunkt spricht die orientalische Mystik seit vielen Jahrtausenden. Und namentlich stark spricht sie seit dem Auftreten des Buddha von jenem Zukunftsstandpunkt, wo die Erde getaucht sein wird in eine moralische Äther-Atmosphäre. Und wie eine große Zukunftshoffnung stand es immer schon seit der Zeit der alten Rishis vor der orientalischen Mystik, daß der Erde dieser Impuls kommen wird und daß er ein Wesensteil sein wird von Vishva-Karman, oder wie Zarathustra sagte, von Ahura Mazdao. So stand es jener Mystik bereits vor Augen, daß von der Wesenheit, die wir den Christus nennen, dieser moralische Impuls, diese moralische Erden-Atmosphäre ausgehen wird, und auf ihn, den Christus, setzte diese orientalische Mystik ihre Hoffnung.

Die Mittel der orientalischen Mystik reichten nicht aus, um sich dies vorzustellen, aber was als Gefolgschaft dieses Ereignisses auftritt, das konnten sie sich vorstellen. Sie konnten sich vorstellen, daß die in das Feuer, das Licht der Sonne eingetauchten reinen Akasha-Gestalten innerhalb von fünftausend Jahren nach der Erleuchtung des großen Buddha, als die Gefolgschaft dessen kommen werden, der durch morgenländische Mystik allein nicht zu erkennen ist. Eine wunderbare Vorstellung fürwahr: Es wird etwas kommen, was möglich machen wird, daß durch eine geläuterte moralische Atmosphäre der Erde, die Licht- und Feuersöhne, nicht in physisch verkörperter Gestalt, sondern als reine Akasha-Gestalten innerhalb der moralischen Atmosphäre der Erde herumwandeln werden. Dann wird aber auch der Lehrer da sein, fünftausend Jahre nach der Erleuchtung des Gautama Buddha, der die Menschen lehrt, was das für wunderbare Gestalten sind, diese reinen Feuer- und Lichtgestalten. Dieser Lehrer, das wird der Maitreya-Buddha sein, der dreitausend Jahre nach unserer Zeit auftreten wird, der den Menschen den Christus-Impuls wird lehren können.

So vereinigt sich orientalische Mystik mit dem christlichen Wissen des Abendlandes zu einer schönen, wunderbaren Einheit. Und klar gemacht wird auch, daß derjenige, der dreitausend Jahre nach unserer Zeit als der Maitreya-Buddha erscheinen wird, immer wieder als der Bodhisattva, als der Nachfolger des Gautama Buddha, verkörpert auf der Erde erscheint. Eine seiner Verkörperungen war die des hundert Jahre vor Beginn unserer Zeitrechnung lebenden Jeshu ben Pandira. Dieser in Jeshu ben Pandira Verkörperte ist derselbe, der einstmals der Maitreya-Buddha sein wird und der von Jahrhundert zu Jahrhundert immer wieder in einem fleischlichen Leibe erscheint, und zwar noch nicht selber als Buddha, sondern als Bodhisattva. Auch in unserem Zeitalter gehen von diesem, der einstmals – nicht jetzt, sondern einstmals – der Maitreya-Buddha werden wird, die bedeutendsten Lehren über die Christus-Wesenheit und über die Feuersöhne der Inder – die Agnishvattas – aus.

Dasjenige, woran der Mensch erkennen kann den, der einstmals der Maitreya-Buddha werden wird, ist aller wahren morgenländischen Mystik und christlichem Wissen wiederum gemeinsam. Erkennen kann man denjenigen, der einstmals der Maitreya-Buddha sein wird, der im Gegensatz zu den Feuersöhnen im physischen Leibe als Bodhisattva erscheinen wird, daran, daß er zunächst in seiner Jugend heranwächst so, daß kein Mensch ahnen kann, was für eine Individualität in ihm ist. Immer wird es so sein, daß diejenigen, die es verstehen, an einem solchen Menschen erst zwischen dem dreißigsten und dreiunddreißigsten Jahre erkennen, daß in ihm ein Bodhisattva ist. Da tritt etwas ein wie eine Umwechslung der Persönlichkeit. Und der Maitreya-Buddha wird selber gerade im dreiunddreißigsten Jahre seines Lebens sich der Menschheit zu erkennen geben. Wie der Christus Jesus im dreißigsten Jahre seines Lebens sein Werk begann, so geben sich die Bodhisattvas, die weiterhin den Christus verkündigen werden, im dreiunddreißigsten Jahre ihres Lebens zu erkennen. Und der Maitreya-Buddha selber, der mit großen, gewaltigen Worten, von denen heute noch keine Vorstellung gegeben werden kann, als umgewandelter Bodhisattva von den großen Geheimnissen des Daseins verkünden wird, er wird sprechen in einer Sprache, die erst geschaffen werden muß, denn heute könnte kein Mensch die Worte finden, mit denen einstmals der Maitreya-Buddha zu den Menschen sprechen wird. Aus dem Grunde kann noch nicht so zu den Menschen gesprochen werden, weil es noch nicht das physische Werkzeug dazu gibt. Die Lehren des Erleuchteten werden nicht bloß Lehren einströmen, sondern sie werden moralische Impulse in die Menschenseelen einströmen. Solche Worte können noch nicht von einem physischen Kehlkopfaus-gesprochen werden. Sie können jetzt nur in den geistigen Welten da sein.

Anthroposophie ist die Vorbereitung zu alledem, was in der Zukunft kommen wird. Jene, die es mit der Menschheitsentwickelung ernst nehmen, die wollen, daß die Seelenentwickelung nicht versumpfe, sondern so weiter schreite, daß die Erde nun wirklich in ihrem geistigen Teil frei werden kann, daß sie den gröberen Teil wie einen Leichnam abfallen lassen kann – denn es könnten Menschen das ganze Werk verpfuschen -, diejenigen, die wollen, daß das Weltenwerk gelinge, sollen sich Verständnis des spirituellen Lebens erwerben durch das, was wir heute Anthroposophie nennen. So wird Anthroposophie zur Pflicht, Erkenntnis wird etwas, was wir empfinden, etwas, dem gegenüber wir Verantwortung haben. Und wenn wir so empfinden und wollen lernen, wenn wir aus diesen Weltengeheimnissen heraus so empfinden, daß wir Anthroposophen sein wollen, dann empfinden wir richtig. Dann aber auch darf Anthroposophie nicht für uns etwas sein, was unsere Neugierde befriedigt, sondern sie soll etwas werden, ohne das wir nicht leben können. Erst wenn das der Fall ist, empfinden wir im richtigen Sinne, dann erst leben wir als lebendige Bausteine innerhalb jenes großen Baues, der aufgeführt werden soll in den Seelen der Menschen und der sich über die Menschen breiten kann.

So ist die Anthroposophie die Eröffnung gegenüber den wahren Welterscheinungen, wie sie herantreten an den Menschen der Zukunft, an unsere eigenen Seelen, ob wir noch im physischen Leibe oder schon zwischen Tod und neuer Geburt sein werden. Diese Umwälzung wird uns berühren, ob wir noch im Leibe wandeln, oder ob wir den physischen Leib abgelegt haben werden. Nur daß die Menschen sich schon hier auf dem Erdenrund im physischen Leibe Verständnis aneignen müssen für diese Ereignisse, wenn sie berührt werden sollen zwischen Tod und neuer Geburt von dem, was da geschieht. Für jene, die sich jetzt im physischen Leibe Verständnis für den Christus aneignen, für jene ist es einerlei, ob sie noch leben werden, wenn der Moment heranrückt, den Christus zu schauen, oder ob sie dann bereits durch die Pforte des Todes geschritten sein werden. Diejenigen aber, die jetzt ablehnen das Verständnis des Christus, die müssen, wenn sie zur Zeit des Eintretens dieses Ereignisses bereits durch die Pforte des Todes geschritten sind, warten bis zur nächsten Verkörperung, denn die Grundlage kann nicht erworben werden zwischen Tod und Geburt. Wenn die Grundlage aber einmal erworben ist, setzt sie sich fort, dann ist der Christus auch schaubar zwischen Tod und neuer Geburt. So wird uns Anthroposophie nicht nur etwas, was wir lernen für das physische Leben, sondern was auch Wert hat, wenn wir den physischen Leib im Tode abgelegt haben werden.

Das wollte ich heute geben zum Verständnis des Menschen und als Handhabe zur Beantwortung mancher Fragen. Selbsterkenntnis ist schwierig, weil der Mensch ein so kompliziertes Wesen ist. Dadurch ist der Mensch so kompliziert, daß er mit allen höheren Welten und Wesen zusammenhängt. Was in uns ist, das sind Schattenbilder der großen Welt, und was unsere Organisation ist, unser physischer, Äther- und Astralleib und unser Ich, was so unsere Glieder bedeutet, das sind für die göttlichen Wesen Welten. Was bei uns physischer, Äther-, Astralleib und Ich ist, das ist die eine Welt, die andere Welt ist die höhere, die Himmelswelt. Für die göttlich-geistigen Wesen der höheren Welten sind die Leibesglieder hohe göttlich-geistige Welten. Deshalb ist der Mensch etwas so Kompliziertes, weil er ein wirkliches Spiegelbild der geistigen Welt ist. Das soll ihn zum Bewußtsein seiner Menschenwürde bringen. Aber aus jener Erkenntnis, daß wir zwar ein Bild sind, daß wir aber noch sehr fernestehen dem, was wir sein sollen, auf dem Umwege dieser Erkenntnis eignen wir uns an, neben der Menschenwürde, auch die rechte Bescheidenheit und Demut gegenüber dem Makrokosmos und seinen Göttern.

Aus der an den Vortrag sich anschließenden Fragenbeantwortung

Frage: Wie ist das Wort « mit Zungen reden » beim Apostel Paulus zu verstehen?

Antwort: Bei Ausnahmemenschen kann es vorkommen, daß nicht nur das Phänomen des Sprechens im Wachzustande allein da ist, sondern es geht etwas in dieses Sprechen, was sonst nur im Schlafbewußtsein da ist. Das ist das Phänomen, von dem Paulus spricht. Goethe spricht darüber von demselben Standpunkte aus. Er hat eine sehr schöne Abhandlung über dieses Phänomen geschrieben.

Frage: Wie wird man die Trostworte des Christus verstehen?

Antwort: Die Menschen werden wie durch ihr eigenes Herz diese Trostworte fühlen. Es kann sich auch wie ein physisches Hören ausnehmen.

Frage: Was sind chemische Kräfte und Stoffe im Verhältnis zur geistigen Welt?

Antwort: In der Welt sind eine Anzahl Substanzen, die verbindbar und trennbar sind. Was wir Chemismus nennen, ist hinein-projiziert in die physische Welt aus der Welt des Devachan, der Sphärenharmonie. So daß in der Verbindung zweier Stoffe nach ihren Atomgewichten wir die Abschattung haben zweier Töne der Sphärenharmonie. Die chemische Verwandtschaft zweier Stoffe in der physischen Welt ist eine Abschattung aus der Welt der Sphärenharmonie. Die Zahlenverhältnisse der Chemie sind wirklich die Ausdrücke für die Zahlenverhältnisse der Sphärenharmonie. Diese letztere ist stumm geworden durch die Verdichtung der Materie. Würde man die Stoffe tatsächlich bis zur ätherischen Verdünnung bringen und die Atomzahlen als innerlich formendes Prinzip wahrnehmen können, so würde man die Sphärenharmonie hören. Man hat die physische, die astralische Welt, das untere Devachan und das obere Devachan. Wenn man nun einen Körper noch weiter hinunterdrückt als zur physischen Welt, dann kommt man in die unterphysische Welt, in die unterastralische Welt, das untere oder schlechte Unterdevachan und das untere oder schlechte Oberdevachan. Die schlechte Astralwelt ist das Gebiet des Luzifer, das schlechte untere Devachan ist das Gebiet des Ahriman und das schlechte obere Devachan ist das Gebiet der Asuras. Wenn man den Chemismus noch weiter hinunterstößt als unter den physischen Plan, in die schlechte untere devachanische Welt, entsteht Magnetismus, und wenn man das Licht ins Untermaterielle stößt, also um eine Stufe tiefer als die materielle Welt, entsteht die Elektrizität. Wenn wir das, was lebt in der Sphärenharmonie, noch weiter hinabstoßen bis zu den Asuras, dann gibt es eine noch furchtbarere Kraft, die nicht mehr lange wird geheim gehalten werden können. Man muß nur wünschen, daß wenn diese Kraft kommt, die wir uns viel, viel stärker vorstellen müssen als die stärksten elektrischen Entladungen, und die jedenfalls kommen wird – dann muß man wünschen, daß, bevor diese Kraft der Menschheit durch einen Erfinder gegeben wird, die Menschen nichts Unmoralisches mehr an sich haben werden!

Frage: Was ist Elektrizität?

Antwort: Elektrizität ist Licht in untermateriellem Zustand. Da ist das Licht in der schwersten Weise zusammengepreßt. Dem Licht muß man auch Innerlichkeit zusprechen, es ist in jedem Punkte es selbst. Wärme kann sich in drei Richtungen des Raumes ausdehnen, beim Licht müssen wir von einer vierten sprechen: Es ist vierfach ausgedehnt; es hat Innerlichkeit als viertes.

Frage: Was geschieht mit dem Erdenleichnam?

Antwort: Wir haben als Rest der Mondenentwickelung unsern Mond, der die Erde umkreist. Ebenso wird für die Erde ein Rest sein, der den Jupiter umkreisen wird. Dann lösen sich die Reste allmählich auf zum allgemeinen Weltenäther. Auf der Venus wird ein Rest nicht mehr sein. Sie erscheint zunächst als reine Wärme, wird dann Licht und geht wiederum in die geistige Welt hinein. Für die Erde wird der Rest zum Leichnam. Aber das ist ein Weg, der von dem Menschen nicht mitgemacht werden darf, da er furchtbaren Qualen dadurch ausgesetzt sein würde. Aber es gehen wohl Wesen mit diesem Leichnam mit, da sie sich selber höher entwickeln werden dadurch.